Rückblick:
Die rote Black Box – Wie durchschaubar ist Chinas Wirtschaft für Journalisten?

13.06.2018



Gäste:

Lea DEUBER, seit 2016 China-Korrespondentin für die Wirtschaftswoche

Wei DUAN, Geschäftsführer der Chinesischen Handelskammer in Deutschland e.V. (CHKD).

Wolfgang HIRN, manager magazin-Reporter und Buchautor („Chinas Bosse – Unsere unbekannten Konkurrenten“)


Moderation:

Tobias KAISER, Welt-Wirtschaftsreporter und Vorstandsmitglied des Deutsch-Chinesischen Mediennetzwerks e.V.


Ist Chinas Wirtschaft für Journalisten eine Black Box? In ihrer Intransparenz gar eine unberechenbare Gefahr für das internationale Finanzsystem? Es war eine heikle Frage, zu deren Beantwortung das Deutsch-Chinesische Mediennetzwerk am 1. Juni 2018 in Berlin eine kundige Runde eingeladen hatte.



Wolfgang Hirn ist Autor des Buches „Chinas Bosse – Unsere unbekannten Konkurrenten“ und seit drei Jahrzehnten für das manager magazin als Reporter in China unterwegs. Zumindest eine globale Finanzkrise made in China hält er für wenig wahrscheinlich. Zwar werde die Intransparenz von Chinas Wirtschaft und deren Verflochtenheit mit dem Staat seit vielen Jahren von vielen China-Experten als Ausgangspunkt eines bevorstehenden Kollapses gewertet, die Katastrophe sei aber stets ausgeblieben.

Ganz gefahrlos ist die Lage allerdings nicht, glaubt Lea Deuber, China-Korrespondentin der Wirtschaftswoche: „Eigentlich bräuchte die chinesische Wirtschaft langfristig eine gut funktionierende Presse. Das erzählen mir auch immer wieder chinesische Unternehmer, mit denen ich spreche. Sie finden es furchtbar, dass in ihrem Land kein richtig guter Wirtschaftsjournalismus möglich ist.“ Schließlich agieren ohne gut recherchierte, verlässliche Informationen auch sie selbst oft im Ungewissen und Ungefähren.



Wei Duan, Geschäftsführer der Chinesischen Handelskammer in Deutschland und dritter Teilnehmer der Diskussionsrunde, stimmt Deuber in diesem Punkt zu: „Wir denken auch, es sollte mehr Pressefreiheit geben. Und wir wollen auch in deutschen Medien nicht nur positive Berichte über Chinas Wirtschaft. Wir wollen wahre Berichte.“

Chinesische Unternehmen sollten zudem ihre Türen noch mehr öffnen, um deutschen Journalisten bessere Recherchen zu ermöglichen, sagt Duan. Er hofft, dass die Berichterstattung dadurch weniger negativ voreingenommen wird – eine Entwicklung, die bereits eingesetzt habe: „Deutsche Medien berichten heute schon ausgewogener über Firmen aus China. Vor zehn Jahren war es schlimmer.“ Hirn ist überzeugt, dass mehr Offenheit auch Ängste vor chinesischen Investoren in Deutschland abbauen würde. „Die Angst, berechtigt oder nicht, rührt auch daher, weil kein Mensch hier diese Firmen kennt.“



Hirn betont zudem, dass er während seiner Recherchen in China sehr unterschiedliche Grade von Offenheit erfahren hat: „An Staatsunternehmen kommt man als ausländischer Journalist eigentlich gar nicht ran. Bei Privatunternehmen hatte ich null Probleme.“ Wobei Hirn diese Unterscheidung später ein wenig relativiert: „Ein Privatunternehmen ist in China nie privat, im Sinne von freien unternehmerischen Entscheidungen. Es gibt immer eine Gegenleistung für den Staat. Oft sind das Kundendaten.“

Eine Einschätzung, der Deuber beipflichtet. Sie beobachtete zudem, dass deutsche Unternehmen sich in Sachen Intransparenz und Abschottung durchaus gern von chinesischen Vorbildern inspirieren lassen. So habe sie auf einer Pressekonferenz von Thyssenkrupp in China erlebt, dass von den versammelten Journalisten offenbar nur vorab abgesprochene Fragen gestellt wurden. „Das gefällt den Managern von Thyssenkrupp natürlich ziemlich. Die haben schnell kapiert, wie die Sache läuft.“


Text: Markus Wanzeck

Fotos: Esteve Franquesa Parareda


Eine Veranstaltung in Zusammenarbeit mit dem International Alumni Center (iac Berlin).



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