Rückblick:
Neue chinesische Führung, neue Außenpolitik?
25.05.2013
Gäste:
YAN Xuetong, Direktor des Instituts für Internationale Studien an der Tsinghua-Universität, Peking
Matthias NASS, Internationaler Korrespondent der Zeit
Moderation:
Olaf BÖHNKE, Leiter des Berliner Büros des European Council on Foreign Relations (ECFR)
Zeit:
3.5.2013, Berlin
„Neue chinesische Führung, neue Außenpolitik?“ Darüber diskutierten am 3. Mai in Berlin Yan Xuetong und Matthias Naß.
Yan Xuetong plädierte dafür, dass sein Land eine selbstbewusstere Rolle auf dem internationalen Parkett spielen sollte: „Deng Xiaoping sagte einst, China müsse mit Zurückhaltung agieren, da es keine Weltmacht sei. Doch diese Einschätzung halte ich für überholt – jetzt, da China zur zweitgrößten Wirtschaftsnation der Welt aufgestiegen ist.“ China müsse seine Außenpolitik an sein neues Gewicht in der Welt anpassen.
Besonders großen Nachholbedarf sieht Matthias Naß bei der soft power. Die chinesische Führung habe dies auch erkannt: Staatliche Medien wie der Fernsehsender CCTV werden mit großem Aufwand modernisiert, um Chinas Reputation in der Welt aufzupolieren. Ein überwiegend positives Bild des Landes gebe es bisher nur in Pakistan und einigen afrikanischen Ländern, zitierte Naß aus einer BBC-Studie.
Keine Supermacht könne erwarten, von allen geliebt zu werden, so Naß. Wenn China aber seine neugewonnene Stärke mit Geschick und Bedacht einsetze, könne es international eine positive Rolle spielen. „Aus deutscher Sicht wäre es sehr zu wünschen, dass China mehr Verantwortung übernimmt.“ Die Weltgemeinschaft schaue voller Erwartung auf China, gerade auch im Fall Nordkoreas: „Ich verstehe nicht, weshalb die chinesische Führung bestrebt ist, in diesem Fall eine neutrale Haltung zu wahren.“ Auch in Syrien sei eine Lösung des Konflikts ohne China kaum möglich.
Yan entgegnete, dass er keinesfalls eine Diktatur in Syrien unterstützen wolle. Allerdings stehe China in diesem Konflikt die Rolle eines neutralen Landes am besten zu Gesicht – ähnlich, wie es die Schweiz jahrzehntelang in Europa zu tun pflegte. „Syrien ist ein komplizierter Konflikt. Es ist unmöglich zu sagen, welche in diesem Bürgerkrieg die ‚richtige‘ Seite ist. Warum sollte China sich mit einer bestimmten Fraktion gemein machen? Und warum sollte China Syrien überhaupt zu seinem Problem machen?“ Was Nordkorea angehe, sagte Yan, überschätze die Welt offenbar Chinas Einflussmöglichkeiten: „Vermutlich sind Chinas Beziehungen zu Nordkorea heute schlechter als die zu den USA.“
Was die Rivalität zwischen den USA und China angeht, ist Naß überzeugt, dass sie in den nächsten Jahre die Weltpolitik zunehmend bestimmen werde. Die Anzeichen dafür häuften sich. „Interessanterweise wenden sich fast alle Nachbarländer Chinas den USA als Verbündetem zu.“ Dies täten sie jedoch nicht, um einen heißen Konflikt zwischen den beiden Großmächten heraufzubeschwören. Sondern schlicht, weil sie angesichts von Chinas Übermacht in Asien an einem Gleichgewicht der Kräfte interessiert seien. „Chinas neue Wirtschaftsstärke und seine forschen nationalistischen Töne, etwa in der Senkaku/Diaoyu-Auseinandersetzung mit Japan oder bei ähnlichen Streitfällen im Südchinesischen Meer, führen zu Unwohlsein in den Nachbarstaaten.“
Yan indes sieht Chinas nachbarschaftliche Beziehungen auf einem guten Weg. Grenzstreitigkeiten seien im großen und ganzen beigelegt. Lediglich mit drei Ländern – Japan, Philippinen, Vietnam – gebe es akute territoriale Streitigkeiten, so Yan: „Und ich bin zuversichtlich, dass wir auch diese drei Probleme innerhalb der kommenden Jahre lösen werden.“
Zum Wettbewerb der Supermächte gab Yan China folgenden Ratschlag mit auf den Weg. Wolle das Land gegenüber den USA bestehen, dürfe es nicht einfach den American way of life kopieren. Vielmehr müsse China einen eigenen Führungsstil entwickeln, einen, der eine größere Anziehungskraft ausstrahlt. Dafür sei es nötig, sich eine natürliche Autorität zu erarbeiten. „Dies ist möglich, indem die chinesische Regierung eine Politik der Fairness verfolgt. Auch, indem sie schwächeren Ländern Schutz anbietet – ohne dafür unmittelbare Gegenleistungen zu erwarten.“
Bis China sich international den Respekt verdient habe, den die Chinesen sich so sehr wünschen, sei noch ein langer Weg zu gehen, sagte Yan. „In den vergangenen vierzig Jahren sind wir dem westlichen Beispiel gefolgt, aber ohne jegliche Rücksicht auf gesellschaftliche Moral. Das Ergebnis ist, dass die chinesische Gesellschaft heute Geld über alle Maßen verehrt. Wir müssen einen Weg zurück zur Moral finden. Erst wenn wir auf diese Weise besser sind als andere, werden andere uns wirklich respektieren. Dann wird unser way of life ein Beispiel für andere Länder sein.“
Text: Markus Wanzeck
Fotos: Tanja Dammertz