Rückblick:
Online first → Online only?

10.02.2013



Gäste:


ZHANG Ning, Professorin an der School of Communication and Design, Sun Yat-sen University, Guangzhou

WU Peng, Chefredakteur der Videoabteilung der Caixin Media Group

Wolfgang BLAU, Chefredakteur von Zeit Online


Zeit:

23.1.2013, Berlin


Zhang Ning gab zu Beginn der Veranstaltung “Online first → Online only?” einen Überblick über die journalistischen Ausbildungsmöglichkeiten in China und erklärte, wie Online-Journalismus, Blogs und Microblogs die traditionellen Medienunternehmen im Land rapide verändern.

Die School of Communication and Design an der Sun Yat-sen University in Guangzhou, an der Zhang unterrichtet, hat ihren Schwerpunkt bei der Forschung und der Journalistenausbildung inzwischen im Bereich neuer Medien. Diese seien für die Mediennutzer in China weit wichtiger als in Deutschland, so Zhang. Vor allem deshalb, weil investigativer, kritischer Journalismus in den traditionellen Medien Chinas, die entweder in Staatsbesitz sind oder mehr oder weniger stark unter staatlichem Einfluss stehen, keine große Rolle spiele.

Wu Peng, Chefredakteur der Videoabteilung der Caixin Media Group, sagte, dass bei ihm persönlich der Übergang von traditionellen Medien hin zu Online-Medien längst abgeschlossen sei. Sein letztes Tageszeitungs-Abo kündigte er 2004. Chinesische oder internationale Fernsehsender sieht er noch sporadisch, im Grunde aber besteht sein Medienkonsum hauptsächlich aus Nachrichtenseiten im Internet, Blogs und mobilen Apps von Magazinen und Zeitungen.

So wie ihm gehe es sehr, sehr vielen Chinesen, sagte Wu. Denn digitale Medien seien die schnellsten und oft auch die verlässlichsten Informationsquellen. Sie bieten eine großartige Chance für den Journalismus in China. Für Journalisten andererseits seien sie auch eine enorme Herausforderung, da die Geschwindigkeit der journalistischen Arbeit in den vergangenen zwei Jahrzehnten extrem zugenommen habe. Ebenso die Innovationsgeschwindigkeit, mit der neue Produkte und Anwendungen auf den Markt kommen. Diese Herausforderung stelle sich Journalisten in China und Deutschland gleichermaßen.

Wolfgang Blau ergänzte, dass die digitalen Medien dem Journalismus nicht nur in China zu einer neuen, besseren Qualität verhelfen. Das gelte weltweit. Überall nehme die Vielfalt, die Konkurrenz und der Leistungsdruck im Journalismus zu, was den journalistischen Produkten guttue. Die Mediennutzer werden selbstbewusster, emanzipierter, sind nicht mehr nur Medienkonsumenten, sondern auch -produzenten.

In drei Hinsichten ändere sich die Mediennutzung stark, so Blau. Die Treue zu vielen traditionellen Medienmarken lasse nach. Die Aufmerksamkeitsspanne der Mediennutzer sinke. Der Medienkonsum werde globalisierter. Viele Deutsche lesen inzwischen neben Zeit Online oder Spiegel Online auch die Internetseiten des Guardian oder der New York Times. Diese Entwicklung sollte Medienunternehmen aus einem vergleichsweise kleinen Sprachraum wie dem deutschen zu denken geben, findet Blau. Es sei fraglich, ob alle von ihnen langfristig neben den globalen Medienmarken etwa aus dem englisch- oder chinesischsprachigen Sprachraum bestehen können.

Den oft gebrauchten Ausdruck “Zeitungskrise” kritisierte Blau als irreführend. Das Wort “Krise” bedeute, dass eine Entwicklung vorübergehend sei. Doch für das Gros der Zeitungen werde es kein Ende am Tunnel geben. Er glaubt, dass der Journalismus das Ende der Zeitungsära gut überstehen werde. Er werde stärker sein als zuvor. Doch die Zahl der Journalisten, die von ihrem Beruf gut leben können, werde zurückgehen.

Text: Markus Wanzeck
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